Zuallererst gilt es Veronika Stross und allen die mitgeholfen haben zu danken. Es war tatsächlich nicht nur eine gute, sondern eben auch eine wichtige und für mich auch trotz allem Mut machende Veranstaltung.
Gerade auch bezüglich der Kultur offenbart die Corona-Krise wie lieblos und mit wie wenig Wertschätzung man mit Dingen umgeht, die man für selbstverständlich hält. Irgendwie haben es ja all die freischaffenden Künstler und Soloselbständigen der Kultur- und Eventbranche immer geschafft durch zu kommen und plötzlich aber stellt man zur eigenen Verwunderung fest, dass dieser Teil der Gesellschaft ja nicht nur ein Spiel- und Rummelplatz ist, oder eine Flaniermeile der roten Teppiche, oder Glamour-Häppchen für Yellow-Press und Promiklatsch, sondern ein Arbeitsplatz. Ja, ein Platz an dem Menschen in Beruf und Berufung arbeiten, von den Umsätzen dieser Arbeit leben, Existenzen und Biographien daran hängen.
Kunst und Kultur sind nicht Dekoration einer Gesellschaft, sondern eröffnen den so dringend notwendigen Raum für Begegnung, Austausch, Inspiration, Phantasie, Lust, Mitgefühl, Spannung, Humor, Staunen, Spiel, Kreativität, Poesie und nicht zuletzt auch einfach Unterhaltung. Nur ein kurze Liste, aber selbst die verdeutlicht die Unverzichtbarkeit jedweder künstlerischer Arbeit für die Gesellschaft als Ganzes.
Die deutschen Begriffe Kunst und Kultur klingen ein wenig zu spröde, zu fleischlos und akademisch, vielleicht ergänzen wir diese noch durch, Action, Beat, Groove, Show, Entertainment, Performance, Drama, Horror, SciFi, Comedy und Rock’n Roll. All das lässt sich eben nicht ausschließlich erleben im Zustand digitaler Isolation. Dazu braucht es den Raum der Kunst, und diejenigen, die ihn erhalten, arbeiten dafür.
Der absolut wohltuenden und kraftspendende Aspekt der Demonstration war der selbstbewusste Ton mit der hier die Position der Künstler und Veranstalter klargestellt wurde. Nicht als Bittsteller, nicht als Bedürftige sondern als der klare Anspruch nicht mehr oder weniger bedeutsam zu sein als eben andere auch.
Es ist bitter, dass sich für diesen Bereich die Situation so zuspitzen musste, damit die staatstragende Arroganz in ihrer verblendeten Geschäftstüchtigkeit überhaupt ernsthaft aufmerksam wird. Es ist bitter die zitternde Stimme der Leiterin des Tölzer Knabenchores zu hören wie sie eine Welt ohne Kultur beschreibt. Es ist bitter zu hören wie Ron Williams auf der Bühne, das Einzelschicksal eines befreundeten Trompeters beschreibt, den die Perspektivlosigkeit in den Selbstmord getrieben hat. Es ist bitter in einem Video eine ganze Reihe von Technikern und Eventorganisatoren Worte wie Existenzangst sagen zu hören, Sätze wie: ich kann nicht mehr, ich weiß nicht mehr weiter, ich verliere alles. Das ist bitter.
Ich möchte jetzt nicht Sinnhaftigkeit oder Sinnlosigkeit, bzw. die Inkonsistenz der verschiedenen Entscheidungen und Maßnahmen diskutieren, aber eines gilt es in aller Deutlichkeit festzustellen. Wenn existentielle und einschneidende Entscheidungen dieser Art gefällt werden, dann müssen deren Konsequenzen für alle Betroffenen berücksichtigt werden und nicht nur für die, denen man glaubt gefallen zu müssen und die über PR-Macht und Lobbypersonal verfügen.
Missachtung ist kein Mittel der Politik.
Es kann eben nicht darum gehen Kunst und Kultur irgendwie durchzubringen, sondern sie und alle, die dafür arbeiten in ihrem gesamten Potential zu erhalten, ihre Tatkraft, ihr Engagement und ihre Leistung. Dazu gehört nicht nur das entsprechende finanzielle Programm aufzulegen, sondern als Staat die gesamte Haltung gegenüber der Kunst zu überprüfen und entsprechend zu erweitern.
„Wir sollten immer daran denken, daß es auch noch etwas anderes auf der Welt gibt als die Gewöhnlichkeit.“ – Thomas Bernhard