Vom Wert der Kunst

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AUSSTELLUNG IM PARK DER MOHRVILLA
und warum es ein gelungener Abend war.

Zunächst möchte ich vorausschicken, dass es dabei nicht um den Wert meiner Kunst geht, vielmehr will ich in persönlichen Worten ausdrücken wie lebenswichtig die Kunst nicht nur für jeden Einzelnen, sondern eben auch für die Gemeinschaft als Ganzes ist. Leider wird in der aktuellen Situation gerne der meiner Meinung nach höchst unglückliche Begriff der Kulturschaffenden verwendet. Schaffen, schaffen, klingt mir zu sehr nach Leistungsdeutsch. Der eine schafft das, der andere das und der dritte dann Kultur. Die Kultur aber ist das Ganze, in das verwoben die Kunst pulsiert und es damit am Leben hält.

Die ersten Wochen nachdem der Begriff Lockdown plötzlich auch in mein Leben trat, waren geprägt von Rückzug, von Irritation, und sicher auch von Angst. Ich spürte wie mein Atem mit dem Atem der Welt enger wurde. Um mich herum fiel Tür um Tür mit einem lauten Knall ins Schloss und jeder einzelne Knall hallte in mir nach. Aber ich wollte doch …… aber ich müsste doch…… wie soll ich denn jetzt. Bumm. Kontrollverlust. Pläne, Projekte, Perspektiven lösten sich einfach vor meinen Augen in Luft auf, in eine dünne Luft. Ich hechelte, hechelte den Nachrichten hinterher und ließ mich in ihren Strom ziehen, trieb aufgeregt und ziellos durch die Stromschnellen, hin und her und auf und ab, meine Hände griffen ins Leere. Ich wirbelte auf das Gestein unter mir, stieß mir den Kopf. Blackout, Ohnmacht, Schockstarre. 

Der Schock ist heilsam. Er ist eine Schutzreaktion, die Körper und Geist für einen Bruchteil Zeit zur Ruhe zwingt. Der Schock ist eine Chance. Kann es sein. Monkey-mind is silent for a moment. Und aus der Starre wird ein Innehalten. 

Schritt eins Diagnose: Overload.
Schritt zwei, erste Hilfe: Nachrichtenstopp. Lass das Getöse Getöse sein.
Der bedrängende Lärm verhallte, verlor an Substanz, verdünnisierte sich in ein Gemurmel, ein Rauschen, ein Rauschen vor der Tür, ein Rauschen vor dem Fenster, jetzt ganz ohne Grollen und Dröhnen, eher wie ein leises Flüstern, freundlich, einladend, fast zärtlich. Und als ich das Fenster aufmachte stand da ein Baum. Ein fester Stamm, nach unten verwurzelt in der Erde und nach oben sich in Blüten und Blättern zum Himmel öffnend .
Die verschlossenen Sinne begannen sich mit ihm wieder zu öffnen. Sie waren schwach geworden und brauchten noch etwas Unterstützung, etwas Pflege.
Schritt drei, Medizin: Kunst.
Die Kunst hat mir immer den Weg in die Welt bereitet. Musik ( jeder höre was er möge), Musik, Musik. Bilder. Film. Was hat der Mensch über alle Zeit hin erstaunliches gestaltet. Was es nicht alles zu sehen und entdecken gibt. Und plötzlich…ja….leise, zögerlich und zaghaft noch, ja doch, aber ja, da ist er wieder: der Impuls. Was habe ich Dich vermisst. Hab ich da gerade eine Geige gehört, nein, das wäre dann doch etwas zu dramatisch, eher ein Klicken, oder besser ein Anklopfen. Öffnete sich die Welt mir über die Kunst, so war auch immer die Kunst der beste Weg ihr zu begegnen und die wesensstärkste Begegnung ist die Begegnung mit der Natur. Da alle Türen verschlossen waren, stieg ich durch das Fenster, am Baum hinunter auf die Erde, ließ mich vom Impuls an die Hand nehmen und ging in den Wald.

Die Begegnung mit der Natur ist für mich, gerade in schwierigen Zeiten, immer von großer Bedeutung gewesen, denn sie führte mich stets weg von Bewertung, Beurteilung und Bedrängnis hin zu Betrachtung und Staunen.

Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.

Goethe, Faust, Prolog im Himmel

Und so entstanden hunderte von Bildern, vom Himmel, farbenfroh, transparent und klar, aber vor allem vom Wald, von Bäumen, ihrer Rinde.. 

Das war so nicht geplant. Das hatte sich ergeben. ( Im übrigen ein beachtenswerter Ausdruck: es hatte sich ergeben) Geplant war auch nicht diese Ausstellung der Bilder im Park der Mohr Villa. Auch das hatte sich ergeben. Ebenso die Idee, den Naturbildern der Vollständigkeit halber das Bild anbei zu setzen, das die Menschen abgaben. Vermummte, gehetzte Wesen in dunklen Tunneln. Schließlich ist der Mensch in seiner Natur Teil der Natur.

Wie wertvoll ist doch dieser kleine Impuls zu gestalten, denn nur durch ihn entsteht etwas Neues, Eigenes, Besonderes. Er hat mich aus der Starre wieder hinaus geführt und mir letztlich die Möglichkeit zu dieser Ausstellung geschenkt.

Es war ein rundum gelungener Abend. Der Park verwandelte sich in einen Zauberwald, die Bilder strahlten unter den Bäumen. Die Menschen schlenderten frei und ruhig an ihnen vorbei, kamen ins Gespräch, ergaben sich der wunderbaren Atmosphäre. Natürlich, und das soll nicht unerwähnt bleiben, freut man sich als Künstler über den Erfolg. Die kindlich verspielte Haltung, die sicher allen Künstlern innewohnt genießt auch die Aufmerksamkeit, das Lob, zuweilen auch die Bewunderung. Doch bedeutsam ist etwas anderes, denn es gibt nicht nur den Einzelnen sondern auch das Ganze, die Grundstimmung innerhalb einer Gesellschaft, die Befindlichkeit des kollektiven Bewusstseins und Unterbewusstseins, das gerade in diese Zeiten angefüttert wird mit Gefühlen von Verunsicherung, Ängstlichkeit und Wut; eine sich beschleunigende Spirale aus Frustration und Streit. Gerade jetzt ist es so wichtig und essentiell Möglichkeiten des Innehaltens Raum zu geben. Raum für Reflexion und die Pflege der Sinne. Raus aus dem Lärm immer währender Bedrohung, raus aus der Atemlosigkeit, raus aus der Abstumpfung. Gerade jetzt ist es von so ungeheuerlicher Bedeutung welche Gefühle und Empfindungen wir in uns selbst kultivieren und wieder zurück in das kollektive System geben.

Es war ein gelungener Abend. Das wurde mir klar als ich am nächsten Tag die Nachricht einer Besucherin bekam, in der sie beschrieb, wie dieser Abend auf sie gewirkt hat, sie neu sensibilisiert hat, geöffnet und inspiriert hat. Deshalb war es ein gelungener Abend, weil er für alle Beteiligten ein Erlebnis war, das nachwirkt, das vielleicht sogar wieder neu ausrichtet, Verborgenes wieder ermöglicht. Darin liegt der Wert der Kunst und des Gestaltens und es ist schrecklich beobachten zu müssen wie dieser lebenserhaltende Puls der Kunst zu ersticken droht.

Eines möchte ich noch anfügen, das mich als Künstler und auch sicher viele meiner Kollegen bewegt und ich halte es für ebenso wichtig. Kunst und Gestaltung sind unsere Arbeit. Wir widmen ihr Zeit, Hingabe und nicht selten ein ziemliches Risiko. Die Ergebnisse unserer Arbeit sind weder Luxus noch Zierrat. Sie haben ihren Wert und dürfen daher auch ihren Preis haben. Gerade unter Künstlern wabert zuweilen die Meinung, dass es doch irgendwie anrüchig sei sich zu vermarkten. Das ist auf doppelte Weise fatal. Zum einen sind Geldeinnahmen für die Weiterführung von Kunst und vor allem auch Leben unabdinglich und zum zweiten unterstützt es jene eigenartige Haltung wonach der Künstler doch bitte schön keine Ansprüche zu haben hat.

Meine Ausstellung ist noch bis zum 4.Oktober im Musikraum der Mohr Villa zu sehen.
Ausstellungszeiten: dienstags 13-16 Uhr, donnerstags 17-19.30 Uhr sowie nach Vereinbarung 
Anmeldung unter 089-324 32 64

Oder aber schreibt mich direkt an und wenn’s sich einrichten lässt machen wir außerhalb dieser Zeiten einen gemeinsamen Termin.

https://www.instagram.com/photogenic.breath/

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