Was im Getöse untergeht.

Posted on

Der Lärm ist ein probates politisches Mittel um Inkonsistenzen im politischen Handeln zu verbergen. Inkonsistent ist dabei noch ein eher verharmlosender Begriff, denn eigentlich wäre schlicht und ergreifend das Wort Täuschung angebracht. Der Blick hinter die Täuschung gelingt am ehesten, wenn man die Aufmerksamkeit auf kleine Details richtet, Situationen und Entscheidungen, die jenseits des Getöses stattfinden.

Hier also nun zwei kleine Meldungen, die im Getöse kaum Gehör finden, die es sich aber lohnt zu betrachten und in einen Zusammenhang zu stellen.


Erstens: Die Meldung von Kerem Schamberger über eine geplante Abschiebung von  Anıl K. und Sinem M.

„In Bayern droht die Abschiebung zweier linker kurdisch-alevitischer AkademikerInnen, obwohl sie in der Türkei erst kürzlich aus politischen Gründen zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt wurden…..
Zur Meldung

und zweitens die Entsendung der Fregatte „Bayern“ in den Indopazifik. Hierbei geht es mir weniger um die außenpolitischen Manöver sondern um die Argumentation, die sich im Tweet der Verteidigungsministerin wie folgt darstellt: 

„Es ist gut, über unsere Werte zu reden, noch besser ist es, konkret etwas dafür zu tun. Heute läuft die Fregatte „Bayern“ in Richtung #Indopazifik aus – ein Zeichen für Stabilität, Wohlstand und eine regelbasierte, multilaterale Ordnung.“

Insbesondere die Unionsparteien beherrschen die Klaviatur des Getöses besonders gut indem sie gerne den großen Begriff „Unsere Werte“ vor den Karren spannt, gefolgt von Stabilität, Wohlstand und regelbasierte, multilaterale Ordnung. Der Begriff „Unsere Werte“ wird also nicht in einen humanistischen, demokratischen oder ethischen Kontext gestellt, sondern in einen ökonomischen. 

In den folgenden Tweets heißt es dann.:

Wir wollen, dass bestehendes Recht respektiert wird, Seewege uneingeschränkt befahrbar sind, offene Gesellschaften geschützt werden und dass Handel zu fairen Regeln erfolgt. 

sowie

Gemeinsam mit unseren Wertepartnern in der Region zeigt Deutschland mit der Fregatte „Bayern“ Präsenz im #Indopazifik und setzt ein Zeichen der Solidarität.

Hier lesen wir dann „bestehendes Recht“, „offene Gesellschaften“ und „Solidarität“.
Begriffe, die wohl ebenfalls in diesem Kontext eine Bedeutung haben.

Wollten wir nun all diese Begriffe auf die drohende Abschiebung anwenden, stoßen wir auf das Problem. Das Problem heißt Beliebigkeit. Nun mag man einwenden, dass es so sei, dass dies eben in der Politik so üblich ist etc. etc. etc. aber genau eben das ist fatal, denn gesteht man der Politik und ihrer lenkenden Position diese Beliebigkeit zu, diffundiert eben diese immer weiter und tiefer in die Gesellschaft hinein, Begriffe verlieren ihre Bedeutung, behalten aber leider ihre Lautstärke und werden damit einfach Teil des Getöses. 

Es geht mir nicht zuallererst um eine Kritik an der Union (die ja als sogenannte C-Parteien die Doppelzüngigkeit bereits im Firmennamen tragen) sondern darum wie Beliebigkeit und Getöse einander bedingen. Wie leicht und offenkundig Begriffe beliebig aufgeladen werden können, um sie dann im Getöse zu nutzen.

Eine Erfahrung, die sicher auch jeder an sich selbst gemacht hat, wenn er im privaten Leben Prinzipien, die lautstark vertreten werden im konkreten Handeln nicht umsetzt. Auch ich kenne natürlich das Gefühl, das damit einher geht, ebenso wie all die fadenscheinigen inneren Argumentationen, die nötig sind um es dann doch irgendwie vor sich selbst zu vertreten.

Doch angesichts einer Wahl und der daraus folgenden Konsequenzen halte ich es für außerordentlich wichtig sich eben diese Methode der Beliebigkeit bewußt zu machen. Wenn wir die beliebige Deutung und Umdeutung von Begriffen unüberprüft zulassen, diese gar als Standard gelten lassen, machen wir uns zum willfährigen Spielball derer, die die Meinungsführerschaft für sich beanspruchen und diese mit allen Mitteln durchzusetzen gedenken.

Im übrigen habe ich eine Email bezüglich der drohenden Abschiebungen an die Redaktionen der SZ und TAZ geschickt und werde gerne über mögliche Antworten berichten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert